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Das Verständnis für orientalische und alt ägyptische Denkweisen
#1
© Wolfgang Kosack hat geschrieben:

Das Verständnis solcher Art Texte ist eben nur dann möglich, wenn man geübt ist, unter die scheinbar so glatte Oberfläche eines Märchens zu schauen und das Verständnis auf kleine Nebensächlichkeiten oder Auffälligkeiten zu lenken, um plötzlich unvermittelt in die Tiefe der Gedanken zu rutschen, die hinter einem solchen Text verborgen sein können. Dann wird man die Erzählung aus dieser Warte neu und erneut betrachten.

Bilder und Symbole verdichten sich, Wesentliches wird von Unwesentlichem getrennt. Der einfache Text entschlüsselt sich zu einer verfeinerten Form philosophischen Denkens, die umso klarer wird, je mehr man sich in die Hintergründe der Geschichte verliert.

Natürlich sind dabei Spekulationen Tür und Tor geöffnet, und niemand kann verhindern, daß man sich in Grübelei über den eigentlichen oder vermeintlichen Sinn den Kopf zerbricht und zu Ergebnissen kommt, die weit abseits der vom Philosophen und Dichter angelegten Basis liegen und am Sinn vorbeigehen. Um diesen frucht und ergebnislosen Spekulationen im Voraus einzudämmen und der Gedankenfülle einen sicheren Rahmen abzustecken, haben die Philosophen Dichter, die in dieser Art Texte verfaßten, ein Hilfsmittel benutzt. Man entwickelte ein ‘Vokabelverzeichnis’, d.h. man faßte eine Gruppe von Begriffen zusammen meist völlig harmlosen Inhalts, denn darauf kam es ja an! und belegte sie mit einem Nebensinn. Wichtig war, daß dieser Vorrat nicht allzu groß und damit unübersichtlich wurde. Mit Hilfe dieses Vokabelschatzes baute man Erkenntnissysteme auf, die für nicht geschulte Ohren wie ganz normale Erzählungen klangen, und vermittelte Einsichten, die sich nur dem Wissenden erschließen. Es war ein unterhaltsames Gesellschaftsspiel im orientalischen Salon, diese Vokabeln zu entschlüsseln und mit Geduld und Scharfsinn den wahren Sinn der Geschichte zu entdecken.

Je kunstvoller dieses Vokabelsystem gestaltet wurde, desto mehr Aussagen ließen sich damit treffen, desto leichter ließ sich auch den Aussagen ein unverfänglicher Nebensinn zuordnen, der für Nicht Eingeweihte genau so spannend und interessant war (ja eben deswegen so gern und häufig gehört oder gelesen!), wie er dem Kenner philosophische Erfahrungen vermittelte. 

Das Erbe der Philosophen liegt in Märchen, Geschichten und Erzählungen verborgen, die von jedermann gern gelesen und sehr geschätzt wurden. Es war eine Art Propaganda, die der eigentlichen Philosophie zu weiterer Verbreitung verhalt als sämtliche Lehrstühle der Universität zusammengenommen.

Um die Art, wie man solche Vokabeln verwendete, dem Leser begreiflich zu machen, habe ich in meinem Märchen versucht, das nachzuahmen, was die Texte als Hintergrund enthalten können und was in den meisten Fällen unentdeckt und noch gar nicht entschlüsselt ist.

Mein Vokabelvorrat beschränkt sich auf die handelnden Personen und auf das Symbol ‘Brille’. Jede Person stellt eine bestimte Form orientalischer Philosophie dar, die in einem Teil dieses Buches behandelt wird. Die Gliederung des Buches ist also im Märchen enthalten, es nimmt Vorwort, Kurzfassung und Ergebnis meiner Studien vorweg. Jede Person stellt eine bestimmte Epoche der orientalischen Philosophie vor: Die Übergänge und Beziehungen der Personen zueinander sind Übergänge und Beziehungen zu den philosophischen Strömungen. Dingsymbole kommen nur dann vor, wenn der Gang der Beziehungen (und der fiktiven Märchenhandlung) so schwierig wird, daß man auf weiterhelfende Elemente nicht verzichten kann.

Zentrale Vokabel ist die ‘Brille’ (in meinem Märchen, welches das Buch enthalten wird alle nachfolgenden Vokabeln erläutert - erklärt aber auch das grundsätzliche Prinzip!) : die Erkenntnis, die Gnosis. Sie wird verkauft, verliehen, verschenkt und verstümmelt. Die Handlungsträger sind mit ihr verbunden, besitzen sie, geben sie weiter, erleben etwas mit ihr. Sie sind die Epochen der orientalischen Philosophie:

Abu Taleb ist Vokabel Vertreter für Altägypten, Mustafa ist Vertreter der Gnosis, Fachreddin ist Vertreter der Manichäer, der Sultan ist Vertreter des Sufi, der Zwerg Vertreter der Mystiker. Es bliebe noch Selime, die ich als Vokabel Vertreterin für Weisheit benutzt habe.

Mit diesen Bedeutungsuntergrund muß man das Märchen noch einmal durchgehen, um festzustellen, was zum Fortgang der philosophischen Entwicklung beiträgt, welche Elemente retardieren und was als Symbol verstanden wird. 

Das freilich ist eine Arbeit, die der Leser alleine bewältigen muß. Um ihm noch eine Hilfestellung zu geben: Bestimmte Elemente führen die Handlung weiter: die Schriftstücke und der Spiegel. Sie haben naheliegende Bedeutung. Das Übrige ist Beiwerk.

Die Lektüre unter Verwendung dieser Deutung wird Erkenntnisse bringen, die man in dem nachfolgenden Buch finden wird: Die Geschichte und Überlieferung der Gnosis (im ursprünglichem Sinne von Erkenntnis, nicht im Sinne der "gesunkenen Gnosis", dem Gnostizismus!) in der orientalischen Philosophie.
Lautlos ist die Wahrheit, wie der Staub in einem tönernen Gefäß, das Gefäß kann brechen, was bleibt ist die Wahrheit.....
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