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Was mich eigentlich interessiert...
#23
Hallo lieber Eik!

 Das ist jetzt ein heftiger Brocken - weil es auf vielen Ebenen und in nicht unmittelbar zusammenhängenden Bereichen - Dinge anrührt, und es schwierig wird, so einen großen Bogen zu spannen.

Zum Sachlichen: ich hab das Buch diese Nacht fertiggelsen und vorhin abgegeben, weil ich am Do zum Pfingsthappening verreise und dann andere Pflichten hab. Es wäre mir lieber gewesen, die zweite Hälfte ähnlich langsam und bewusst zu lesen wie die erste, Querverweisen zu folgen und Dinge nachzuschlagen (was ja heute dank Inet wunderbar einfach ist), um so nicht zuletzt auch meine eigene Bildung zu fördern, denn in der zweiten Hälfte tauchen ein paar Themen auf, mit denen ich schon ein bischen Berührungspunkte hab - aber nun, hat nicht sollen sein, es muss jetzt eben so reichen.


Meine Einschätzung von W.Kosack entspricht in etwa dem, was Du beschreibst: er arbeitet streng wissenschaftlich, beschränkt sich aufs Sachliche, belegt alles (und wirklich alles) mit Quellen - man kann freilich auch erkennen, dass er seinen Wahrnehmungsschwerpunkt da hat, wo seine Interessen und Fähigkeiten liegen: in offenbar sehr umfassenden Kenntnissen alter Sprachen, in der geschichtlichen Forschung, in der Qualifizierung alter Schrift- und Buchdokumente, und dgl. verwandtes.
In der Konsequenz gibt es aber auch Bereiche, wo er dann nicht hinschaut, die ihm weniger Aufmerksamkeit entlocken - genauso wie jeder Mensch seine eigenen Qualitäten und Schwerpunkte hat. Es geht dabei gar nicht darum, dass man die gegebenen Quellen relativieren sollte und darüber in sachliche Diskussionen einsteigen müsste (das könnte man vielleicht auch tun, aber dafür bräuchte man einen entsprechenden Wissensschatz), sondern es ging mir beim Lesen wiederholt so, dass mir zu einer bestimmten Kultur oder einem bestimmten historischen Kontext Dinge in den Sinn gekommen sind, Dinge, von denen selbst ich mit meinem rudimentären historischen Wissen gehört hab, und wo ich mir gewünscht hätte, dass diese Dinge in irgendeine Art von Bezug gesetzt würden zu dem was Kosack beschreibt - aber sie blieben meist ganz unerwähnt. (Es ist natürlich auch so, dass man ein solches Buch notwendigerweise thematisch beschränken muss und einen Fokus behalten auf das gewählte Thema.)

Und ja, Kosack hat sicherlich einen spirituellen Zugang - er ist ganz offensichtlich keiner von den Wissenschaftliern die nur Kopfmenschen sind, sondern kann auch mit dem Herzen sehen; und er erkennt Mystik, wo sie ihm vorliegt.

>Also mag ja auch ein Poet, ein Barde, Quellenforschung betreiben,
>ich weiss nicht ob man das überhaupt vergleichen kann, oder sollte.

Ich weiss es auch nicht - aber wie siehst oder unterscheidest Du die Fähigkeiten eines Künstlers und eines Wissenschaftlers?
Beide nutzen ihren Geist, beide haben sich durch intensives Engagement Fähigkeiten erarbeitet, beide bringen Dinge hervor, die unsere Kultur weiterführen... der Künstler scheint aber eine intensivere Beziehung zur Schöpfungskraft zu haben, weil er selber Schöpfer wird...

>ich fühle mich da stets, was Wahr - nehmung betrifft an die Zeilen
>von David Gilmour in "Wish you were here" erinnert

Autsch, damit hast Du mich jetzt völlig überrascht und aus den Latschen geschmissen. Das ist ja ein völlig anderer Ort! Danke für diesen Input, das bringt mich jetzt heftig auf den Boden, von da wo ich gewohnt war hinzugucken...

Ganz ehrlich, ich müsste, nach eingehender Innenschau, Meister Gilmour aufrichtig antworten: ja, ich glaube, ich kann das unterscheiden.

Was aber schlimmer ist: ich hätte dem gar keine Bedeutung zugemessen, sondern es gedankenlos für selbstverständlich genommen - denn offenbar ist es das für mich: ich habe mir zeitlebens (oder zumindest, seitdem ich ~14 war und beschlossen hab, künftig meine eigenen Entscheidungen in meinen Angelegenheiten zu treffen) nie irgendetwas für wahr verkaufen lassen, und habe bei allem, was mir irgendwie unvollständig vorkam, systematisch unterschiedlichste Leute nach ihren Blickwinkeln dazu gefragt, und ansonsten grundsätzlich nur das getan, was sich für mich richtig angefühlt hat. Und ansonsten hab ich tatsächlich all die verschiedenen Meinungen, Blickwinkel und Propaganden als ein spannendes Spielfeld verschiedenster Realitäten angesehen - mit dem man auch kreativ spielen kann.

Jetzt kommt mir allerdings ein Phänomen in den Sinn, das ich bei vielen Menschen beobachte und mir nicht recht erklären kann - ein Phänomen, das ich "Leben mit der Lüge" nenne. Es scheint mir, dass viele Menschen sich ein Leben eingerichtet haben, das ihnen weder wirklich gefällt noch wirklich guttut, von dem sie aber aus irgendeinem Grund glauben, dass es so sein müsse. Und diesen Glauben verteidigen sie dann auch entschieden gegenüber anderen -möglicherweise auch gegenüber sich selbst.
Ich finde das sehr schade, aber ich verstehe nicht recht, warum sie da nicht einfach aus ihrer Tunnelrealität heraustreten.

Okay denn, nehmen wir also an, dass da für viele Menschen tatsächlich ein Problem liegt, welches ihnen selber gar nicht recht bewusst ist, und dass sie irgendwie so "programmiert" sind, dass man ihnen Dinge 'für wahr verkaufen' kann, die ihnen weder sonderlich guttun noch sonderlich sinnvoll sind.
Dann braucht es also ein gewisses Bewusstsein, eine gewisse Entwicklung des Geistes, um Klarheit für sich selber finden und erkennen zu können was Sinn macht. Da wäre dann zu fragen, wie man solche Entwicklung fördern kann.

Es geht dann aber noch weiter, und das ist der Punkt, der mir Schwierigkeiten macht (denn das, worüber wir hier reden, sind*WERTE*: hab ich meine eigenen Werte oder bete ich nur das nach was vorgebetet wird? Kann ich Verantwortung für mich übernehmen? usw):
Wenn man tiefer in die Mystik vordringt, dann kommt man in einen Bereich, wo diese sorgfältig entwickelten Werte wieder zerfallen, ihre Bedeutung nicht mehr recht greifbar ist, weil das Bewusstsein selber (also das, worin man diese Werte entwickelt hat) instabil wird. Und dann stellt sich heraus, dass auch das, was Gilmour hier beschreibt, eigentlich nur Konstrukte waren. Da sind wir dann freilich schon in einem Bereich, den ich gern mit dem Hochalpinismus vergleiche, wo eine heile Rückkehr auch bei gesunder Konstitution nicht immer gegeben ist - d.h. in der Magie (und damit meine ich *nicht* die Totenbeschwörer und Kartenleger, sondern eher Hochgradmaurer und Drakoniker).

Das in etwa, lieber Eik, ist der Bogen, den ich mit meinem Bewusstsein zu spannen versuche, und dabei geistig gesund zu bleiben versuche - und es gibt kaum Leute, mit denen man darüber reden könnte und verstanden würde.

>>Warum suchen, nach etwas, was sowieso da ist, a-priori und
>>allgegenwärtig?
>Was zu suchen ist - und deshalb wird es wahrscheinlich auch als
>"Suche" bezeichnet" - ist nicht was a priori allgegenwärtig ist, denn
>die "Klarheit" (den Verstand - das Verstehen) eben genau das zu
>begreifen, dass es das ist und damit dann schlussendlich auch dessen
>Natur.

Da haben wir dann ein Verständnisproblem - oder unterschiedliche Erfahrungen. Denn mein Eindruck ist, dass der Verstand (eine gesunde Seelenentwicklung, d.h. unbefangene Neugier vorausgesetzt) ganz von selber losläuft und hinter die Dinge sehen will (während gleichzeitig das, was a-priori da ist, auch erkannt werden will) - man ihn also eigentlich nur laufenlassen muss.
Aber nicht ohne Grund heisst es: sei vorsichtig mit dem was du dir wünschst, denn es könnte in Erfüllung gehen.

(Ich bin übrigens mit Herrn Kosack einer Meinung darin, dass ich Hermann Hesse's Alterswerk "Das Glasperlenspiel" für eine faszinierende, wunderbare Arbeit halte - wenn auch aus etwas anderen Gründen.

  "Die Weltleute sind Kinder, mein Sohn. Und die Heiligen - nun,
  die kommen nicht zu uns beichten. Wir aber, du und ich und
  unseresgleichen, wir Büßer und Sucher und Weltflüchtige, wir sind
  keine Kinder und sind nicht unschuldig, und sind nicht durch
  Strafpredigten in Ordnung zu bringen. Wir, wir sind die
  eigentlichen Sünder, wir Wissenden und Denkenden, die wir vom
  Baum der Erkenntnis gegessen haben"
)

> Bis auf die Tatsache, dass ich kein Religionsunterricht, dafür ein
>Fach namens "Staatsbürgerkunde" hatte, was mir allerdings sehr half
>die Dynamik und das Wesen des Kapitalismus zu Verstehen, denke ich in
>der Tat ähnlich über die Schulzeit.

Da könnte man jetzt zu politisieren anfangen - aber ich beiß mir mal auf die Zunge...

>das mit dem "historischen"
>Jesus, war lediglich eine Beilage, dank der Forschungen von W. Kosack
>zu dieser Zeit. Die Chiffren konnte ich dank seiner Kenntnisse daher
>auch verstehen. Was mir dadurch bekannt wurde, waren 2 Dinge, einmal
>das der Text in der Originalsprache Aramäisch, Schüttelreime, ähnlich
>der Limericks ergibt und das er nicht ins Koptische übersetzt worden
>ist, sondern lediglich Wort für Wort transkribiert.

Na, das ist ne feine Sache, wenn man solche Ressourcen findet um sowas anzuschauen. Bei mir ist da notwendigerweise immer auch die Frage im Kopf, was haben sie da womöglich zusammenübersetzt...

>Ich kenne leider Thunder Perfect Mind nicht, außer durch die kurze
>Erwähnung, aber es gibt mit Sicherheit mehr als nur diese 2 Texte.

Echt nicht? Hm, irgendwie bin ich da doch mehr von den Hippies geprägt - da war es bekannt. Damals hat es mich aber nichtinteressiert, das waren dann wieder verschlungene Umwege, über modernere Sachen.

Das hier läßt mich noch etwas grübeln:

(30.05.2017, 06:46)phaeton schrieb: Wo ist dir das Thomasevangelium begegnet,welches ja von der Kirche als Evangelium abgelehnt wird?

Wiese diese Frage? Als kulturelle Epoche gilt doch hier schon seit dem 19. Jh. die sog. "Moderne", die philosophisch im Wesentlichen durch die Aufklärung begründet ist. Und damit wurde ein Vorrang der Vernunft und des Fortschritts begründet, was bedeutet, dass die Kirche als traditionsbewahrende Institution schlicht nix mehr zu sagen hat - und eigentlich alles erlaubt ist, wenn sichs denn nur als Fortschritt verkaufen läßt.
Die darauffolgende und so ziemlich bis heute gültige kulturelle Epoche wiederum heisst dann "Postmoderne" - und nun kann auch der Fortschritt -nebst allem anderen- künstlerisch in frage gestellt werden.

Formulieren wir das anders und in aller Deutlichkeit:
 ** Das Thomasevangelium ist längst Popkultur. **

Realitätsabgleich:
1966 hat Anton Szandor laVey die Church of Satan gegründet. Das ist
über 50 Jahre her. Und die ersten vier Grundsätze der Satanischen Bibel lauteten:
 * Satan bedeutet Sinnesfreude statt Abstinenz.
 * Satan bedeutet Lebenskraft statt Hirngespinste.
 * Satan bedeutet unverfälschte Weisheit statt heuchlerischem Selbstbetrug.
 * Satan bedeutet Güte gegenüber denen, die sie verdienen, statt Liebe an Undankbare.

Glaubst Du, ein Thomasevangelium ist demgegenüber noch sonderlich "ablehnenswert"?
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RE: Was mich eigentlich interessiert... - von Elevation Eight - 31.05.2017, 03:38

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